Dr. Sahra Golghalyani, BfDI: How to Balance the Necessity of Processing and Privacy

Dr. Sahra Golghalyani, Referentin bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit, eröffnete die Session mit einer zentralen Frage: Wie können wir Daten zu Seltenen Erkrankungen verantwortungsvoll nutzen, ohne das Recht auf Privatsphäre aus den Augen zu verlieren? Denn gerade in der Präzisionsmedizin sind vernetzte, internationale Datensätze unverzichtbar, gleichzeitig aber auch besonders sensibel.
Golghalyani erläuterte, wie rechtliche Vorgaben wie die DSGVO mit technischen Schutzmaßnahmen und klarem Design so kombiniert werden können, dass beides möglich ist: wissenschaftlicher Fortschritt und Schutz individueller Rechte.
Pseudonymisierung, Datenminimierung, Zugriffskontrollen und transparente Einwilligungsmodelle seien dabei entscheidend, ebenso wie internationale Standards bei der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.
„Eine verantwortungsvolle Verarbeitung und Weitergabe ist möglich,“ so ihr Fazit. Mit kluger Gestaltung, rechtlichem Augenmaß und technischer Kontrolle könne man der Wissenschaft dienen und zugleich den Schutz der Betroffenen wahren. Ein wichtiger Impuls dafür, Datenschutz nicht als Hindernis zu sehen, sondern als Gestaltungsaufgabe für verantwortungsbewusste und vertrauenswürdige Forschung.
Dr. Daria Julkowska: The European Rare Diseases Research Alliance (ERDERA)

Im Anschluss präsentierte Dr. Daria Julkowska, Wissenschaftliche Koordinatorin des European Joint Programme on Rare Diseases (EJP RD) , die Initiative und deeen Weiterentwicklung zur European Rare Diseases Research Alliance (ERDERA), einer Schlüsselinitiative zur europaweiten Vernetzung von Forschung, Versorgung und Dateninfrastruktur. Ziel von ERDERA ist es, Europas führende Rolle in der Erforschung Seltener Erkrankungen zu stärken und die Gesundheit der über 30 Millionen betroffenen Menschen spürbar zu verbessern.
Dr. Julkowska verdeutlichte, wie ERDERA als integriertes, datengestütztes Ökosystem funktioniert: mit virtuellen Plattformen, vernetzten Registern, Hochleistungsanalysen für Genomdaten und verbindlichen Standards für Datenschutz und ethisches Arbeiten.
Mit einem Gesamtbudget von über 385 Millionen Euro fördert das Programm neue, länderübergreifende Forschungsprojekte, klinische Studien und Schulungsangebote und schafft so eine tragfähige Verbindung zwischen Wissenschaft, Betroffenen, Versorgung und Industrie in ganz Europa.
„Unser Ziel ist es, Europa zu einem weltweit führenden Land in der Erforschung seltener Krankheiten zu machen“, unterstrich Dr. Julkowska und betonte: Das ist jedoch nicht durch den Aufbau von Parallelstrukturen, sondern durch die Verbindung bestehender Systeme und deren gezielte Stärkung erreicht werden. Ihr Beitrag machte deutlich: Fortschritt in der Präzisionsmedizin braucht nicht nur exzellente Technologie, sondern vor allem intensive Zusammenarbeit und verlässliche Strukturen, die diese ermöglichen.
Prof. Dr. Lorenz Grigull (ZSE Bonn): UNRARE ME – Establishing New Joint Paths for Patients and Health Care Professionals

Wie wichtig neue Wege der Zusammenarbeit und Kommunikation im Bereich der Seltenen Erkrankungen sind, zeigte im Anschluss Prof. Dr. Lorenz Grigull. Mit Unrare.me stellte der Leiter des Zentrums für Seltene Erkrankungen in Bonn, eine digitale Plattform vor, die Menschen ohne klare Diagnose sowie mit seltenen oder chronischen Erkrankungen miteinander und mit Ärztinnen, Ärzten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vernetzt.
Ziel ist es, nicht nur medizinisches Wissen zu bündeln, sondern auch Erfahrungen sichtbar zu machen, die bislang oft übersehen werden, und so das Gesundheitssystem menschlicher, schneller und verständlicher zu gestalten.
Die Plattform funktioniert auf mehreren Ebenen: Sie bringt Betroffene, medizinisches Fachpersonal und Forschende ins Gespräch, erlaubt den Austausch zu konkreten Symptomen und nutzt KI-gestützte Verfahren zur intelligenten Vernetzung von Fallmustern – ganz im Sinne einer „Matching-Logik für Seltene Erkrankungen“. Bereits heute nutzen über 5.000 Menschen das System.
„Gesundheit braucht mehr als Daten: Sie braucht Verständigung, Vertrauen und digitale Räume, in denen alle Perspektiven zusammenkommen können“, so Grigull. Unrare.me will genau das leisten: ein Ort sein, an dem man nicht nur sucht, sondern auch gefunden wird. Der Beitrag machte deutlich: Innovation entsteht nicht nur im Labor, sondern oft dort, wo Menschen mit ganz unterschiedlichen persönlichen und professionellen Hintergründen ihre Erfahrungen teilen und gemeinsam neue Wege gehen.
Dr. Andreas Jedlitschka (Fraunhofer IESE): SATURN — Smart Doctor Portal for Patients with Unclear Diseases

Den Abschluss der Session bildete der Vortrag von Dr. Andreas Jedlitschka (Fraunhofer IESE), der mit SATURN ein digitales Arztportal vorstellte, das mittels Künstlicher Intelligenz die Diagnostik bei unklaren oder seltenen Erkrankungen unterstützt. Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzte im klinischen Alltag dabei zu entlasten, auch bei komplexen Symptomen schneller zu fundierten Verdachtsdiagnosen zu gelangen.
Das Besondere an SATURN: Die Plattform kombiniert gleich drei KI-Ansätze – regelbasiert, fallbasiert und maschinelles Lernen – und gleicht aktuelle Patientendaten mit historischen Fallmustern und etablierten Leitlinien ab.
So entstehen auf nachvollziehbare Weise diagnostische Hinweise, die Ärztinnen und Ärzte bei seltenen oder schwer zuzuordnenden Symptombildern gezielt weiterbringen können. In einem Fallbeispiel aus der Endokrinologie zeigte Jedlitschka, wie SATURN eine seltene Hormonresistenz richtig identifizierte, wo selbst erfahrene Fachleute zunächst ratlos blieben.
„KI kann hier nicht ersetzen, aber gezielt ergänzen – als Denkverstärker im Praxisalltag“, betonte Jedlitschka. Voraussetzung sei jedoch eine solide Datenbasis, transparente Empfehlungen und die Integration in bestehende Systeme. Sein Beitrag zeigte: Digitalisierung birgt großes diagnostisches Potenzial, indem sie ärztliche Erfahrung intelligent unterstützt.
Einblicke in die einzelnen Sessions des 9. Rare Disease Symposiums finden Sie hier:
Keynote: „Unlocking the Secrets of Rare Diseases: How Precision Medicine is Turning Discovery into Hope“
Session 1: Case Study Neuronale Ceroid-Lipofuszinose (NCL)
Session 3: Spotlight Talks: Cutting-Edge Developments – Recognizing, Understanding and Treating Rare Diseases
Session 4: Looking ahead: Visions and Advances for Tomorrow’s Healthcare of Rare Diseases
Fotos: Andrea Katheder
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