Skip to main content

Wissen & Meinung

MCAS – eine Krankheit, die es offiziell nicht gibt

Die Diagnostik von MCAS ist oft schwierig. In diesem Erfahrungsbericht erzählt ein Patient seine Geschichte. Hoffnung für Betroffene gibt jetzt die MAGELLAN-Studie.

Share this post on:

Eine Patientengeschichte

Fast vier Jahre lang bestand mein Leben darin, von Arzt zu Ärztin zu laufen. Ich wollte unbedingt herausfinden: Was fehlt mir? Warum geht es mir immer so schlecht? Woher kommt die teils widersprüchliche Symptomatik? Die Symptome reichten von Magen- und Darmbeschwerden, über asthmaartige Zustände bis hin zu Hautproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten.

Leider konnte niemand eine Erklärung für meine Probleme finden. Bei jedem neuen Blutbild, das gemacht wurde, hoffte ich ab einem gewissen Zeitpunkt sogar insgeheim, dass meine Werte schlecht sein würden, damit die Ärztinnen und Ärzte mich endlich ernst nehmen müssten. Aber meine Blutbilder und auch alle weiteren Untersuchungen waren weitestgehend unauffällig. Meine Realität sah allerdings anders aus, als meine Befunde vermuten ließen.

Meinen Job konnte ich schon lange nicht mehr ausführen. Urlaubsreisen, Hobbys oder Besuche bei Verwandten waren auch nicht mehr möglich. Ich war noch gut bedient, wenn meine Geschichte bei Ärzt:innen nur für Stirnrunzeln und fragende Blicke sorgte. Zu leicht wird man in eine „Psychoschublade“ gesteckt – ein Stempel, den man nur schwer wieder loswird. Sätze wie: „Sie müssen mal wieder arbeiten, damit Sie auf andere Gedanken kommen“, helfen wenig.

In meiner Verzweiflung wandte ich mich an ein Zentrum für Seltene Erkrankungen. Das Prozedere ist hier wie folgt: Der Betroffene selbst oder sein behandelnder Arzt beziehungsweise seine behandelnde Ärztin schickt die Geschichte der Patientin sowie alle gesammelten Vorbefunde an ein Team aus Ärzten: innen verschiedener Fachdisziplinen. Das Team bewertet dann den Fall und gibt eine Einschätzung ab. Hierbei wurde erstmals der Verdacht auf das Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, geäußert. Es folgten weitere Untersuchungen und der Verdacht bestätigte sich.

Mastzelle

Leider gestaltet sich die Diagnostik von MCAS oft schwierig. Eine einzelne Untersuchung, die innerhalb von kürzester Zeit Aufschluss darüber gibt, ob man die Erkrankung hat oder nicht, steht bislang noch nicht zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es auch kein einheitliches klinisches Krankheitsbild. Kurz: Selbst für Experten:innen kann es schwierig sein, einzuschätzen, ob ein Patient oder eine Patientin MCAS hat oder nicht. Ich hatte zuvor schon einige Diagnosen erhalten, die sich im Nachhinein als fehlerhaft herausstellten. Daher war ich zunächst etwas skeptisch, als ich die Diagnose MCAS bekam. Von der Therapie, die aus Antihistaminika und sogenannten „Mastzellblockern“ besteht, habe ich mir mehr erhofft. Mein Arzt – einer der wenigen Ärzte, die MCAS diagnostizieren und behandeln – sagt, dass ich für stärkere Medikamente noch nicht „krank genug“ sei. Hier würde das Risiko den Nutzen überwiegen, denn die Nebenwirkungen seien umfangreich.

Therapiemöglichkeiten

Es gibt hierzulande kaum Ärzte: innen, die sich mit MCAS auskennen. Das liegt vor allem auch daran, dass die Erkrankung in Deutschland nicht einmal einen ICD-Code hat. Die internationale Klassifikation von Krankheiten (International Classification of Diseases, ICD) ist ein medizinisches Verzeichnis, in dem alle Krankheiten beschrieben sind. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben und in regelmäßigen Abständen aktualisiert. In der Welt der Medizin bedeutet das übersetzt: Offiziell existiert die Krankheit in Deutschland überhaupt nicht. Andere Länder sind hier schon weiter. Der fehlende ICD-Code hierzulande hat für MCAS-Betroffene unter anderem zur Folge, dass sie viele der nicht selten teuren Medikamente aus eigener Tasche bezahlen müssen. Die Krankenkassen übernehmen keine Kosten für eine Erkrankung, die es offiziell gar nicht gibt. Ich habe gehofft, mit einer Diagnose würde für mich alles besser werden. Leider sieht die Realität anders aus. Ich bin seit der Diagnose kaum einen Schritt weitergekommen. Ein einigermaßen normales Leben ist nicht möglich. Dabei gehöre ich, verglichen mit anderen MCAS-Patient:innen, noch nicht einmal zu den „schwersten Fällen“.

Hoffnung für Betroffene

Herr Prof. Dr. Gerhard J. Molderings – ein Experte auf dem Gebiet der Mastzellerkrankungen vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn – ist überzeugt, dass in Deutschland viel mehr Menschen von der Krankheit betroffen sind als derzeit bekannt. Die Dunkelziffer schätzt er als außerordentlich hoch ein. 

Mit dem MCAS Hope e.V. in Deutschland gibt es nun einen Verein, der sich für MCAS-Betroffene einsetzt. Ich und alle anderen MCAS-Patient:innen wünschen sich vor allen Dingen eines: Wir wollen wieder ein halbwegs normales Leben führen.

Um uns MCAS-Patient:innen wieder mehr Lebensqualität und eine Zukunftsperspektive zu geben, erforschen der MCAS Hope e.V. und das ifid Institut für IT-Management & Digitalisierung der FOM-Hochschule in Düsseldorf die Erkrankung im Rahmen einer multizentrischen Studie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Beteiligt sind auch Ärzt:innen vom Universitätsklinikum Aachen und der Charité Berlin. 

Hinter der wissenschaftlichen Studie steht kein großes Unternehmen, sondern ein gemeinnütziger Verein. Das Projekt wird durch ehrenamtliches Engagement und Spenden ermöglicht. Weitere Informationen auch über Spendenmöglichkeiten, um die Studie zu unterstützen, finden sich auf der Webseite des Vereins.

You are currently viewing a placeholder content from Default. To access the actual content, click the button below. Please note that doing so will share data with third-party providers.

More Information

*Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser dieser Patientengeschichte wünscht, anonym zu bleiben.

Share this post on:

Verwandte Artikel