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Forschung

Von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung: Eva Luise Köhler Forschungspreis würdigt Repurposing-Therapie für unheilbare neurologische Erbkrankheit

In einer feierlichen Preisverleihung zeichnete Eva Luise Köhler Prof. Dr. Alessandro Prigione/ Universitätsklinikum Düsseldorf und Prof. Dr. Markus Schülke/ Charité – Universitätsmedizin mit dem 16. Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen aus.

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Bundesgesundheitsminister Lauterbach sichert politische Unterstützung zu

„Menschen mit Seltenen Erkrankungen erreicht der medizinische Fortschritt oft nicht. Das kann, das darf nicht sein!“, diese klare Botschaft richtete Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach im Rahmen der Verleihung des 16. Eva Luise Köhler Forschungspreises für Seltene Erkrankungen am 3. Mai 2024 nicht nur an die geladenen Gäste in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, sondern an alle Betroffenen. Er versicherte: „Die Bundesregierung wird die wichtige Forschung zu Seltenen Erkrankungen gezielt unterstützen!“

Zum zweiten Mal war der Bundesminister der Einladung der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung anlässlich der Forschungspreisverleihung gefolgt. Ausgezeichnet wurden Prof. Dr. Alessandro Prigione vom Universitätsklinikum Düsseldorf und Prof. Dr. Markus Schülke von der Charité – Universitätsmedizin Berlin für ihre wegweisenden Arbeiten zum mütterlich vererbten Morbus Leigh (MILS).

Forschung mit Patientenrelevanz: Therapieperspektive für das mitochondriale Leigh-Syndrom

Im Rahmen eines von Heinz-Gerhard Wilkens moderierten Lecture Talks erläuterten Professor Schülke und Dr. Annika Zink in Vertretung von Professor Prigione, wie die fortschreitende seltene Erbkrankheit den Energiestoffwechsel der Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der menschlichen Zellen, beeinträchtigt. MILS betrifft speziell das zentrale Nervensystem und verursacht schwere Störungen sowohl im geistigen als auch im motorischen Bereich. Eine Heilung ist bisher nicht möglich, viele betroffene Kinder sterben früh.

Die Forschenden zeigten auf, wie es ihnen mit Hilfe von reprogrammierten Nervenzellen gelungen ist, einen vielversprechenden Behandlungsansatz mit dem bereits zugelassenen Wirkstoff Sildenafil zu entwickeln. Ermutigende erste Studienergebnisse lassen auf eine zeitnahe Therapie hoffen. Von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA wurde der Einsatz zur MILS-Therapie gemäß der Orphan Drug Designation (ODD) bereits genehmigt. Eine europaweite multizentrische Studie zur weiterführenden klinischen Prüfung des Wirkstoffs soll in Kürze starten.

Welche Hoffnung dies für Betroffene bedeutet, brachte Jan Justus, Gründer der Mitohelp Foundation und Vater eines betroffenen Kindes auf den Punkt: „Diese Forschung kann einen wirklichen Unterschied im Leben der betroffenen Kinder und ihrer Familien machen, sie schenkt Hoffnung und Zuversicht. Wir danken allen, die das möglich machen!“

Der mit 50.000 Euro dotierte Eva Luise Köhler Forschungspreis ermöglicht Professor Prigione und Professor Schülke die Durchführung von Untersuchungen zur Identifikation von Biomarkern, die Aufschluss über den Einfluss von Sildenafil auf zelluläre mitochondriale Stoffwechselwege, den individuellen Krankheitsverlauf und therapeutische Effekte geben.

Medikamenten Repurposing: Sildenafil als vielversprechende und günstige Behandlungsoption

Warum das innovative Forschungsvorhaben überzeugen konnte, erklärte Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in ihrer Laudatio: „Dies ist keine neue, sehr teure Therapie, sondern es geht um den Einsatz eines Medikamentes, das für eine andere Indikation bereits zugelassen ist, also ein sogenanntes Drug Repurposing. Hier liegt enormes Potenzial für die Behandlung Seltener Erkrankungen.“

Wie groß der Bedarf ist, machte Geske Wehr, Vorsitzende der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ACHSE e.V., deutlich: „Statistisch betrachtet ist in jeder Grundschulklasse ein Kind von einer Seltenen Erkrankung betroffen.“ Für die Betroffenen sei Forschung von großer Bedeutung – aber auch eine gute Versorgung im täglichen Leben müsse gesichert sein. Dazu brauche es die Bündelung von Kräften ebenso wie eine  Berücksichtigung des spezifischen Pflegebedarf von Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen.

„Wege lassen sich leichter gehen, wenn man sich gemeinsam auf die Reise macht“

Auch Eva Luise Köhler unterstrich die Bedeutung von Zusammenarbeit und Allianzen in ihrem Grußwort. Sie verwies auf neue Wege auf, die die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung seit zwei Jahren mit der Forschungsinitiative Alliance4Rare geht. „Das ist nur mit engagierten und unterstützenden Partnern an unserer Seite möglich. Gemeinsam gestalten wir ein Zukunftsmodell für die pädiatrische Forschung in Deutschland. Wir lassen die ‚Medizin von morgen‘ auch für die Waisen der Medizin Wirklichkeit werden.“ Dass das Netzwerk der Alliance4Rare bundesweit beständig wächst, erfüllt Eva Luise Köhler mit Dankbarkeit und Zuversicht – und motiviert für die nächsten Schritte: „Lassen Sie uns den Weg hin zu einer besseren Zukunft für Menschen mit Seltenen Erkrankungen gemeinsam entschlossen weitergehen. Die Anstrengung lohnt sich, das ist gewiss!“

Fotos: Andrea Katheder

 

Die Preisträger

Prof. Dr. Alessandro Prigione stammt aus Mailand, wo er an der Universitá degli Studi die Milano Medizin studierte und an der Universität San Raffaele in Molekularer Medizin und Neurowissenschaften promovierte. Prigione war Delbrück Fellow am Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in Berlin, bevor er 2019 zum W2-Professor für pädiatrische Stoffwechselmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ernannt wurde. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verwendung von induzierten pluripotenten Stammzellen und organoiden Modellen zur Untersuchung der molekularen Mechanismen seltener pädiatrischer neurologischer mitochondrialer Störungen.

Prof. Dr. Markus Schülke studierte an der Universität des Saarlandes, der Freien Universität Berlin, dem University College Dublin und der University Hong Kong Medizin. Er promovierte 1993 an der Freien Universität Berlin und arbeitete als Kinderarzt und Neuropädiater in Deutschland, den Niederlanden und Indien. Seit 2010 ist Prof. Dr. Schülke Professor für Experimentelle Neuropädiatrie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sein Forschungsinteresse gilt schwerpunktmäßig genetisch bedingten neuromuskulären und mitochondrialen Erkrankungen, dabei besonders der Aufdeckung neuer krankheitsverursachender Gendefekte unter Einsatz moderner bioinformatischer Methoden. Als Sprecher der DFG-Forschungsgruppe „Jenseits des Exoms“ widmet er sich aktuell der Aufdeckung von Mutationen im regulatorischen Genom, wobei ihm die Übertragung grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen ein besonderes Anliegen ist.

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