Manchmal sind es nur kurze Momente – winzige Muskelzuckungen, ein Starren ins Nichts.
Und es gibt schwere Episoden: Krämpfe, die den Körper durchrütteln, Ohnmacht, Angst, Verwirrung. Epilepsie kommt aus dem Hinterhalt. Sie übernimmt von jetzt auf gleich die Kontrolle über das Leben. Die Tücke der Krankheit: Sie lässt sich nicht immer behandeln.
Die Krankheit
Das gilt auch für eine besonders schwere und seltene Form, bei der Mutationen im sogenannten KCNA2-Gen zu Störungen im Kaliumstoffwechsel des Gehirns führen. Derzeit sind nur rund 60 Fälle weltweit bekannt. Bereits im Kleinkindalter entwickeln sich Betroffene geistig verzögert und erleiden täglich schwere Anfälle. Viele können ohne Hilfe nicht laufen. Ein selbstbestimmtes Leben? Kaum möglich. Zumindest galt das bis vor ein paar Jahren.
Die Forschung
Ein Team von Neurowissenschaftler:innen und Ärzt:innen rund um die Biologin Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen hat die Prognose für Betroffene grundlegend verändert. Die Forscher:innen erkannten die Auslöser der seltenen Epilepsie-Form und stellten fest, dass Patient:innen, die an einer bestimmten Unterform der Erkrankung leiden, von einem Medikament profitierten, das es längst gibt: Ein Wirkstoff, der zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzt wird. Mit dem Preisgeld der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung konnten die Forscher:innen ihre Studien ausweiten und das Medikament Betroffenen weltweit zugänglich machen. Mittlerweile wird es bei elf Erkrankten eingesetzt – mit großem Erfolg: Die Mehrheit der jungen Patient:innen kann besser laufen, entwickelt sich geistig weniger verzögert und erleidet seltener Anfälle. Wichtig dabei: Die Therapie muss so früh wie möglich beginnen. Um das zu gewährleisten, hat das Forscher:innen-Team eine frei zugängliche Datenbank erstellt, in der die verschiedenen Mutationen aus der KCNA-Genfamilie aufgelistet sind. So können Ärzt:innen schnell entscheiden, in welchen Fällen eine Therapie in Frage kommt.