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Mehr InformationenInnovative Medikamente können nur mit hohen Investitionen entwickelt werden.
„Ich danke Ihnen für mein Leben!“ Der Mann, der diesen Satz zu Nicole Schlautmann sagt, hat eine Krankheit, die seine Lebenserwartung drastisch verkürzt. Es gibt nur wenige andere Menschen in Europa mit der gleichen Diagnose – sie alle sind in seinem Alter bereits verstorben. Dass er dem ehemaligen Arbeitgeber von Nicole Schlautmann, einer kleinen Pharmafirma mit Hauptsitz in Paris, von seinen gesundheitlichen Fortschritten und Herausforderungen berichten kann, liegt wesentlich an einem Medikament, das diese Firma kurz zuvor entwickelt hat.
Es sind Momente wie dieser, in denen Nicole Schlautmann denkt: „Ich will nie wieder in einem anderen Feld arbeiten.“ Die studierte Biologin wechselt danach zu Pfizer in Deutschland, wo sie zum Zeitpunkt des Drehs den Therapiebereich Seltene Erkrankungen verantwortete. Hier, wie auch im Rahmen ihrer jetzigen Position als Geschäftsführerin von Pfizer Austria, kann sie in noch stärkerem Maße dazu beitragen, dass Menschen, für die es bisher keine Therapien gab und die auch sonst im Gesundheitssystem viel zu oft durchs Netz fallen, wieder hoffen können: „Wenn Kinder, die bis dahin nie Laufen gelernt haben, plötzlich durch die Gegend rennen oder Menschen, die niemals die Hochzeit ihrer Tochter erlebt hätten, jetzt doch da sind, dann ist das gigantisch!“
Gigantisch ist allerdings auch der Aufwand, der betrieben werden muss, um Medikamente für Seltene Erkrankungen zu entwickeln. Bevor ein Arzneimittel zugelassen wird, muss es in klinischen Studien getestet werden. Dafür bedarf es einer Mindestzahl an Probanden. Bei häufigeren Krankheiten lassen sich diese einfacher finden. Ist eine Erkrankung aber selten, verläuft die Suche weltweit an hunderten von Standorten. Das macht die Logistik schwieriger – und kostet.
Gleichzeitig ist der Markt für Therapien von seltenen Krankheiten per definitionem sehr klein. Es gibt oft nur wenige Experten, im Vergleich zu größeren Indikationen fehlt es an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Jedes Pharmaunternehmen überlegt sich genau, in welchem Bereich es Expertise aufbauen kann: „Wir können kein Medikament entwickeln, bei dem wir von Anfang an wissen, dass wir es nicht erfolgreich in den Markt bringen“, sagt Schlautmann. „Da haben wir bisher aber immer ganz gute Entscheidungen getroffen, bis hin zu Indikationen, für die wir in Deutschland weniger als 300 Patienten kennen. Das kriegt man auch hin,“ sagt Nicole Schlautmann.
Oft sind allerdings gerade Medikamente für Seltene Erkrankungen – verglichen mit Medikamenten, die für eine Vielzahl von Patienten entwickelt wurden – relativ teuer. Nicole Schlautmann ordnet ein: „Natürlich hat ein Medikament, mit dem ich 100 Patienten behandele, einen anderen Preis als eines für 100.000 – die Entwicklungskosten sind für beide ja oft genauso hoch. Als börsennotiertes Unternehmen brauchen wir einen gewissen Umsatz, sonst können wir keine neuen Medikamente entwickeln. Erfolgreich bin ich nur dann, wenn unter dem Strich so viel rauskommt, dass ich in das nächste Medikament investieren kann.“
Bei der Erforschung neuer Medikamente gehen pharmazeutische Unternehmen ein großes Risiko ein. Sie investieren Milliarden – mit ungewissem Ausgang. Denn nur ein sehr kleiner Teil der Substanzen, die sie erforschen, schaffen es bis zur Zulassung. Umso wichtiger ist es, dass Pharmaunternehmen mit zugelassenen Medikamenten wirtschaftlichen Erfolg haben können. Wirksame Therapien müssen in einem nächsten Schritt auch die infrage kommenden Patienten erreichen. Dazu bedarf es Versorgungsstrukturen, die ineinandergreifen. Denn nur ein korrekt diagnostizierter Patient kann auch adäquat therapiert werden.
Die Versorgung von Menschen mit seltenen Krankheiten ist, mit oder ohne Therapieoption, häufig kostspielig. Dafür muss die Gesellschaft laut Schlautmann sensibilisiert werden: „Patienten mit Seltenen Erkrankungen haben den gleichen Anspruch auf Diagnose und Behandlung wie alle anderen auch. Und es ist für mich absolut nicht akzeptabel, dass das heute noch nicht so ist.“